Summer moved on

Meine Cousine ist nach Schweden gezogen. Zusammen mit ihrem Freund beginnt sie einen neuen Abschnitt weg von der Heimat. Zum Abschied hat sie sich nochmal ganz viel davon gewünscht. Ganz viel Heimat. Also gab es Schnitzel, Stephansdomführung und Kutschenfahrt. Und Tränen. Viele Tränen.

Ich kenn dieses Gefühl so gut. Die kaum stillbare Lust nach mehr, die Neugier nach Leben und dem “eigenen”. Gleichzeitig der Schmerz und die Angst vor Trennung. Raus aus dem Nest, raus aus dem sicheren Hafen. Ein Geflecht an Freundschaften, Familie und Gewohnheiten, die einen halten wie die Pappschachtel in denen die rohen Eier liegen.

Ein Menschenleben ist in Wahrheit eine laufende Aneinanderreihung von Trennungen. Raus aus dem warmen Mamibauch - Nabschnur ab - TRENNUNG. Raus aus dem Elternschlafzimmer - ins eigene Kinderzimmer - ZACKBOOM - TRENNUNG. Das Lieblingskuschetier, dass man irgendwann im Italienurlaub im Restaurant vergisst (meine Eltern haben wirklich alles gegeben, keine Chance dieses Restaurant in den kleinen Gassen Veronas je wieder zu finden) - GROSSES DRAMA! Der Verlust der Großeltern, die erste Liebe, die erste Verliebtheit, die Brieffreundin mit der man sich im Sommercamp EWIGE Freundschaft geschworen hat, der Blinddarm, die Mandeln, die erste eigene Wohnung, das Auslandssemester,…. jedes Mal ein Trennungsschmerz. Ob groß, ob klein. Man möchte meinen irgendwann kennt man das Spiel. Ja, tut kurz weh, aber man weiß ja, es muss nicht für immer sein. Das Kuscheltier behält man im Herzen und die erste Liebe sowieso. Zu Hause wird immer zu Hause sein und man ist ja “nicht aus der Welt”. Gut, der Blinddarm, die Mandeln….aber wer braucht die schon.

Freunden ist ein Glück gegönnt, das stillt der Sehnsucht Schmerzen. Sie sind entfernt, doch nicht getrennt, sie sind sich nah im Herzen
— Poesiealbum Anna H.

Und trotzdem – aber vielleicht gehöre nur ich zu diesen Drama-Queens – jede Trennung hinterlässt ihre Spuren, egal, ob selbstgewählt, ob absehbar oder urplötzlich.

Das Haus meiner Großeltern wird renoviert. Ich hab einen großen Teil meiner Kindheit in diesem Haus verbracht. Jeden Sommer. Alle zusammen. Die schönsten Erinnerungen hab ich daran. Der vertraute Geruch, das Geräusch der knarrenden Türen, der Streit ums heiße Wasser, das viel zu kleine Badezimmer, die Spinnweben und die Fledermäuse auf dem Dachboden.
Meine Großeltern leben nicht mehr. Die gemeinsamen Sommer mit der ganzen Familie auch nicht. Und trotzdem darf sich in meiner Welt dort nichts ändern. Die frisch verleget Fußbodenheizung ist eine von diesen Trennungen die sein müssen, die man aber einfach nicht haben will. Ich WILL dort frieren und Holz nachlegen.

Meine Bekannte hat das Haus ihrer Großeltern geerbt. Alles easy, alle fein damit. Aber VERÄNDERN soll sie bitte nix. Jedes verrückte Möbelstück eine Familienkrise. Also Ferien im 70er Style. Forever. Foreverever?

Andere Trennungen passieren einfach. Heimlich, still und leise. Die tun auch weh. Weil man zusehen muss, wie man sich verliert und nichts dagegen tun kann. Freundschaften ändern sich im Lauf der Jahre. Was einen mal verbunden hat geht verloren oder ist dem anderen oder einem selbst nicht mehr wichtig. Lebensrealitäten und Prioritäten ändern sich. Aber gute Freundschaften halten auch das aus. Die dürfen auch mal Pause machen.

Benjamin von Stuckrad-Barre schreibt in seinem Buch Panikherz: “…was ist, bleibt nicht, was aber war, kann wieder werden. Der Kreislauf der Dinge, die Natur der Sachen, der Rhythmus des Lebens: Jahreszeiten, Freundschaften, Karrieren.”

Und um hier noch irgendwie die Kurve zu kratzen, lasse ich a-ha sprechen:

“Moments will pass
In the morning light I found out
Seasons can't last”

Anna Hacker